„Kultur ist existenzielle Seelennahrung“ – NDR Kultur-Reporter Marcus Stäbler
Die am stärksten gebeutelte Branche in der Coronakrise ist sicherlich die Kultur- und Veranstaltungsszene. Theater, Kinos, Museen, Clubs, Events, Ausstellungen, Konzerte, alles mehr oder weniger seit März 2020 im Dauerlockdown. Kurze Versuche der Öffnungen unter Hygienebedingungen wie z.B. im Tipi waren schnell wieder erledigt. Die Politik ging kein Risiko ein und schloss alles was Berlin kulturell lebendig macht. Gerade in Friedrichshain ist quasi Totenstille eingekehrt. Legendäre Clubs wie das Berghain oder die Clubmeile auf dem RAW Gelände, alles zu.
Berghain – Foto: h|b Suicide Circus – Foto: h|b ASTRA – Foto: h|b Haubentaucher – Foto: h|b Weißer Hase – Foto: h|b Disco – Foto: h|b
Mitglieder der Musikhochschule Lübeck haben im November eine Erklärung herausgegeben: „Kultur ist nicht nur systemrelevant, sie ist lebensrelevant“ und passend dazu habe ich ein Video der Münchner Gruppe „Cagey Strings“ auf YouTube gefunden. Sie bringen die Sache musikalisch auf den Punkt.
Im ersten Lockdown wurde viel versucht, Streaming online, Livekonzerte oder Theater über Twitter oder Youtube, DJs legten online auf, aber es ist nicht das selbe. Tanzen, feiern, sich begeistern lassen, mit anderen Menschen zusammen Musik spüren, im Museum andächtig Kunst bewundern, im dunklen Kino beim Herz-Schmerz-Film weinen, sich in einem Club verausgaben bis der Morgen graut, es sind diese Momente die fehlen. Auf ein Wort: Schließungen der kulturellen Spielstätten nimmt den Menschen die Möglichkeit, in der realen Begegnung mit Musik, Film, Kunst und Theater neue Kraft zu schöpfen.
Kino International – Foto: h|b Volksbühne – Foto: h|b Philharmonie – Foto: h|b Neues Museum – Foto: h|b Schauspielhaus – Foto: h|b No Tickets – Foto: h|b
Und dann sind da noch die Menschen!
Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren, Musiker, Bands, Beleuchter, Catering, Technik, Equipment, und viele, viele Weitere, eine Branche mit rund 1,2 Millionen Erwerbstätigen und einem Gesamtumsatz von knapp 170 Milliarden Euro jährlich bewegt sich am Rand des Ruins oder darüber hinaus. Gerade in diesen Berufen gibt es viele Soloselbstständige, die angewiesen sind auf Aufträge, deren Geschäftsmodell darauf beruht, die Kultur am Laufen zu halten. Klar, es gibt Unterstützung, Überbrückungsgelder, Kredite, aber das Geld muss zurückgezahlt werden. Wer will dieses Risiko eingehen, solange völlig unklar ist, wie es mit der Pandemie weitergeht?
Verti Music Hall – Foto: h|b Kein Weihnachtsmarkt – Foto: h|b YAAM – Foto: h|b Holzmarkt – Foto: h|b Arena – Foto: h|b East Side Mall – Foto: h|b
In der letzten Folge der „Lockdown-Geschichten“ für den Fotoclub der Kreuzberger Fotografen war ich mit der Kamera noch mal unterwegs. Clubs, Kino, Theater, Eventlocation, Museum, was so „Leeres“ am Wege liegt, fand Platz auf der Speicherkarte und hier im Beitrag. Es bleibt die Hoffnung, dass die Kultur überleben möge, auch wenn sicher Einige dabei auf der Strecke bleiben werden.
Disclaimer: Damit wir uns nicht missverstehen, ich nehme die Pandemie sehr ernst, schließlich gehöre ich auch zur erweiterten Risikogruppe auf Grund meines Alters. Ich habe auch null und gar kein Verständnis für Coronaleugner und Verschwörungsschwurbler. Ich schütze mich und andere, würde aber vermutlich auch deswegen zu keiner Veranstaltung gehen. Aber vielleicht gäbe es doch die Möglichkeit kulturelles Leben in Grenzen zu ermöglichen, wenn man es denn wollen würde.