„Camping ist der Zustand, in dem der Mensch seine eigene Verwahrlosung als Erholung empfindet“. Diesen Satz hab ich schon ein paar Mal auf diversen Wohnmobilen gesehen und ein kleines Stück Wahrheit steckt sicherlich darin. Aber bis zur Verwahrlosung ist es dann doch noch ein ganzes Stück, am Ende liegt es ja an einem selber. Wie geht es uns inzwischen eigentlich mit diesem „Überwintern“ in Spanien? Wir hatten ja so Ideen und Pläne bevor wir losfuhren, existieren die noch? Nicht so ganz, soviel Schon mal vorweg.
Bereits in Peñíscola hatten wir ja bereits die Erfahrung gemacht, dass im Wort „Überwintern“ auch das Wort „Winter“ enthalten ist. Auch in Spanien ist im Dezember und Januar Winter, auch wenn er sicherlich nicht mit unseren Wintern zu vergleichen ist. Aber es wird eben auch kalt, vor allen Dingen Nachts. Die Sonne die hier meist scheint, wir haben überwiegend 6-7 Stunden Sonne am Tag, ist warm, keine Frage. Wir haben auch schon gut Farbe angenommen und die Wärme am Tag taut die „alten“ Knochen auf. Aber der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht ist zum Teil ganz schön heftig. Unsere letzte Nacht hier in Calpe lag um den Gefrierpunkt.
Da sind wir auch jetzt seit dem 19. Dezember, in Calpe. Einem kleinen Städtchen an der Costa Blanca mit einem sehr milden und ausgeglichenen Klima. Im Gegensatz zu Peñíscola ist hier auch echt was los. Fast alles hat auf, Bars, Cafes, Restaurants, es sind Menschen am Strand und an der Promenade. Das – und die Probleme weitere Plätze zu buchen Richtung Süden – hat uns auch bewogen zu verlängern. Wollten wir ursprünglich morgen weiterfahren, haben wir längst bis Ende Januar verlängert. Es gefällt uns hier, und dieses „Überwintern“ bekommt eine ganz andere Bedeutung.
Wir sind da auch nicht alleine, um uns rum stehen – bis auf wenige Ausnahmen – alles Langzeitüberwinterer, die von Dezember bis Februar, oder noch länger, hier auf dem Platz stehen und auch keine Ambitionen haben diesen Zustand zu ändern. Es ist für uns auch eine neue Erfahrung, so lange waren wir mit unserem „Reisemobil“ noch nie an einem Ort. Früher waren wir fast jeden Tag woanders, da hat aber auch die verfügbare Urlaubszeit die Vorgaben gemacht. Wollte man viel sehen, musste man eben auch viel fahren. Dieser Faktor ist komplett entfallen.
Im Grunde „wohnen“ wir aktuell in Calpe. Wir kennen uns aus, haben unsere Lieblingsbar (Aperol & Sangria für zusammen grad mal 6€!) , wissen wo es Tapas mit Meerblick für kleines Geld gibt, fahren Rad, besuchen Flamingos, klettern auf Berge, oder sitzen einfach am Strand und können uns nicht sattsehen am Meer, über dem meist eine kräftige Sonne scheint. Wir genießen diese Tage und sind dankbar und glücklich hiersein zu können. Kein banger Blick morgens zum Himmel, es scheint eh immer die Sonne. Aktuell ist es jedenfalls so.
Ab und an werden wir aufgerüttelt, nämlich dann wenn uns der Tramontana (vielleicht auch Levante oder Poniente, die Gelehrten sind sich nicht ganz einig) heimsucht. Dann stehen wir mit bangem Blick in unserem Vorzelt und hoffen, dass es der Wind nicht mitnimmt. Der beschert uns schon mal Böen bis zu 80km/h. Wir sind aber inzwischen Profis geworden und haben alles mit großen 6-8 l Wasserflaschen beschwert. Aber die Hütte wackelt doch recht kräftig und es macht auch gut Lärm. Müssen wir halt durch, ist Gottseidank nicht so häufig. Regen glänzt bisher durch Abwesenheit, auch wenn die Wetter-App für die kommende Woche welchen angekündigt hat. Wir sind gespannt, dann gibt es im Zweifel einen Womo-Tag.
Der Zustand der erfolgten Pensionierung hat sich inzwischen in meinem Kopf soweit manifestiert, Gedanken oder Träume vom Arbeitsleben werden immer seltener. (Liebe Grüße an die Ex-KollegInnen die hier mitlesen) Montage verlieren ihre Bedeutung, da ja im Grunde jeder Tag wie der andere ist. Selbst Sonntags kann man hier manchmal einkaufen, also fehlt auch diese „Wochenendzäsur“. Es ist das „La dolce vita“, wie wir uns das erträumt haben, keine Verpflichtungen mehr. „Carpe diem – Nutze den Tag“ tritt in den Hintergrund. Was heute nicht geht, geht morgen, Mañana ist der Zeitbegriff dafür. Ist ja in den südlichen Ländern durchaus das geflügelte Wort für „Komm ich heut nicht, komm ich morgen“. Oder halt irgendwann.
Trotzdem schleichen sich immer wieder die Gedanken in den Kopf, ist es das was wir wirklich wollen? Einfach nur wo sein, wo die Sonne scheint und es tagsüber warm ist? Cocktails trinken und mit Bildern davon die im winterlichen Deutschland ausharrenden Freunde und Bekannte ein wenig neidisch machen? Ganz ehrlich? Wir wissen es selbst noch nicht. Wir werden das später für uns aufbereiten, das Für und Wider abwägen und uns nach unserer Rückkehr in Berlin im April die Karten legen. Bis dahin versorge ich euch hier im Blog mit Geschichten aus dem Unruhestand. Zum Fotografieren und zum Geschichten erzählen gibt es noch ausreichend Stoff.