Ursula aus der Gubener Strasse 44
Als ich den Zettel zum ersten Mal an unserer Tür gesehen habe, dachte ich spontan: „Wassn das wieder für ne Schwachsinnsaktion?“. So typisch Berlin, noch typischer Friedrichshain. Es wurden über den Aushang Leute gesucht, die heute Abend von ihrem Balkon ein Ständchen zum Besten geben würden. Egal was. Singer- Songwriter, Acapella, Beat-Boxing, ganz egal. Kurze Zeit später hing ein weiterer Zettel bei uns im Hausflur, der darauf hinwies, das Ursula aus dem dritten Stock mitmacht. Okay. Unsere Nachbarin also. Heute morgen war dann sowohl in der Zeitung als auch auf der Website der Organisatoren Polly & Bob zu lesen, welche Balkone mitmachen. Es sind so viele geworden, dass die Veranstalter drei getrennte Touren organisiert haben, die ab 17 Uhr durch den Kiez ziehen.
Kurz vor 18 Uhr stehen wir vor unserem Haus, mit uns fast die gesamte Hausgemeinschaft. Die Tochter der Sängerin verteilt vom mitgebrachten Tischchen Sekt und Chai-Tee, wir entscheiden uns spontan gegen eine kleine Spende für den Sekt. Mit uns stehen um nach kurzer Zeit noch rund 50 weitere Passanten auf dem Gehweg und schauen gespannt zum illuminierten Balkon, wo Ursula uns mitteilt, das es noch ein paar Minuten dauere, da die Tour gerade auf dem Weg von der Marchlewskistraße sei. Und wirklich, kurze Zeit später stehen rund 200 – 300 Zuschauer vor unserem Haus und lauschen andächtig dem Gesang von Ursula. Nur mit Gitarre und ohne Verstärker. Trotzdem gut zu hören. Nach dem Ende der Darbietung gibt es einen Riesenapplaus und Zugaberufe, aber die Tour ist straff organisiert und muss weiter zu Robin in die Kopernikusstraße, der wartet schon.
Die Jungscombo aus der Kopernikusstraße
Wir beglückwünschen noch schnell die heruntergekommene Künstlerin zu ihrem Mut und der Darbietung und folgen der Crowd über die Warschauer Straße ins Ausgehviertel. Hat fast den Charakter einer spontanen Demonstration gegen Gentrifizierung, viele Familien mit Kindern noch dabei, aber insgesamt ein ganz gemischtes Publikum. Der nächste Balkon arbeitet schon sehr professionell. Zwei Jungs mit Gitarre, Kontrabass und Verstärker geben ein kleines Konzert. Auf der Straße ist nun für die Autos fast kein durchkommen mehr. Hat ein bißchen was von einer aus dem Ruder gelaufenen Facebookveranstaltung. Inzwischen stehen hier sicher 500 Leute und lauschen der Musik. Wie gehabt, nach fünf Liedern zieht die Karawane weiter. Nächstes Jahr nehm ich das mal Ernst und dann schließ ich mich einer der Touren an. Eine Superidee, prima umgesetzt und Chapeau an die Künstler der „Singenden Balkone“.
Oh, ich war zu Besuch in Berlin an dem Abend, aber leider haben wir uns mit der Ubahn verfranst u waren dann so verfroren, dass wir nicht mehr hingefahren sind. Nächstes Jahr versuche ich es nochmal 😀
Hat dies auf KnickPick rebloggt und kommentierte:
Sehr geile Aktion, war zwar in Berlin zu der Zeit, habe es aber nicht mehr dorthin geschafft. Nächstes Jahr neuer Anlauf 😀
Eine tolle Idee, da wäre ich gerne mit durch den Kiez gezogen und hätte den Gesängen gelauscht!