Ab durch die Mitte

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Wenn ich mit dem Zug von Berlin nach Frankfurt fahre, gehts ja normalerweise ums Eck. Erst fährt der ICE von Berlin aus rund zwei Stunden nach Westen, bevor er hinter Hildesheim abrupt nach Süden abbiegt, die Geschwindigkeit auf 250 km/h erhöht und sich ab dann überwiegend in Tunneln aufhält. Da diese Strecke bei Magdeburg durch Hochwässerschäden aber aktuell gesperrt ist, fahren wir jetzt den mehr oder weniger direkten Weg nach Frankfurt. Leider fällt für mich dabei der Ostbahnhof als Startort weg. Ist sonst sonst sehr praktisch vor der Haustür einsteigen zu können.

Nun muss ich also zum Hauptbahnhof in den kalten Keller, wo der ICE bereitgestellt wird. Immerhin der klassische Einser, somit ist genug Platz. Auch in der ersten Klasse. Nach kurzer Aufwärmphase hält er noch schnell am Südkreuz, bevor er richtig Gas gibt und versucht Brandenburg schnellstmöglich zu durcheilen. Dabei tangiert er Orte wie Bülzig und Zörnigall. Nie gehört. Aber endlich mal was anderes als das große „Nichts“ zwischen Spandau und Wolfsburg. Wir fahren aber auch durch die Klassiker, Lutherstadt Wittenberg, Halle und Bitterfeld, was ich von ’69 ganz anders in Erinnerung hatte, irgendwie …. farbiger und geruchsintensiver, und erreichen dann bei Naumburg/Saale das Unstruthtal. Wir sind in Thüringen.

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Hier stehen wir eine Weile rum, die Durchsage fabuliert etwas von Tf-Wechsel, vermutlich muss aber nur der Lotse an Bord. Schließlich durchfahren wir „Terra Incognita“. Derweil überholen uns gleich zwei pfeilschnelle ICE-T, die unser altes ICE Schlachtross, auf der vor uns liegenden kurvigen Strecke, nur in ihrem Fortkommen behindern würde. Daher stehen wir zu recht hier rum. Schönheit vor Alter, is klar. Nach der Weiterfahrt ist es jetzt auch ein ganz schönes Gewackel. Der frischgebrühte Kaffee, den mir die nette „Zubse“ vorbeigebracht hat, bleibt mit Mühe im Becher und die ersten Kotztüten werden von denen geordert, die nur das geradeausfahren gewohnt sind. Um uns herum nun viel Landschaft, ab und an eine Burg, und in den Nachbarabteilen ein Vielquatscher vor dem Herrn und ein heulendes Kleinkind. Vielleicht hätte ich doch die Ruhezone wählen sollen.

Nach Weimar und Erfurt bewegen wir uns auf die ehemalige innerdeutsche Grenze zu – vorher grüßt uns noch schnell von links oben die Wartburg – die wir bei Gerstungen überqueren. Hier wurden früher, also viieeel früher, Züge gefilzt und Pässe gestempelt. Derweil witternde und geifernde Schäferhunde, mit grimmig dreinblickenden Grenzern, den Unterboden der Waggons nach Republikflüchtlingen absuchten. Damals. Zu den guten, alten Zeiten, als Gut und Böse noch klar getrennt waren. Wir waren die Guten und die da drüben, die Bösen. Haben wahrscheinlich beide Seiten so gesehen. Nu simmer ja schon lange Eins. Wo waren wir stehen geblieben? In Gerstungen, richtig.

Aber eigentlich auch nicht, da wir ja nur hier durchfahren, gibt ja keine Grenze mehr, außer der zwischen Thüringen und Hessen, die wir jetzt überqueren. Und schon bin ich da wo ich herkomme, im Land des Äpplers und des merkwürdigen Dialektes. Hessisch. Als „Hessisch“ wird fälschlicherweise übrigens immer das Frankforderisch bezeichnet, in Nordhessen klingt „Hessisch“ nicht annähernd so leicht und flüssig. Im Gegenteil. Davon ab, hat eh jedes Dorf noch seinen eigenen Dialekt. In Fulda ist es dann auch eher der Mittelhessische. Damit sind wir auch wieder auf der Stammstrecke und folgen ab hier dem Kinzigtal über Hanau und sind fünf Stunden nach der Abfahrt von Berlin am Zielort in Frankfurt angekommen. Liebe Bahn, vielen Dank für die neuen Eindrücke, die Strecke wäre ich ja freiwillig nicht gefahren, und für etwas mehr Zeit das Leben bei Kaffee und Panoramablick zu genießen. Bis demnächst wieder auf der „alten“ Strecke.

  1. Meine nächste fahrt nach Kassel wird schon wieder auf der Stammstrecke sein. Ich fahre erst wieder im Dezember und da sollen ja alle Hochwasserschäden beseitigt sein. Jedenfalls die auf der Bahnstrecke.
    Liebe Grüße

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