Kurzer Prozess

Gestern Abend wurde in Überlingen die Fasnet zu Grabe getragen. Mit einem Fackelzug machte sich die Trauergemeinde – begleitet von zwei Musikkapellen – vom Renker über die Münsterstraße auf den Weg zur Hofstatt. Dort angekommen gab es ein paar Reden, Schluchzer ob dem Ende der närrischen Tage waren auch dabei, aber dann ging es ans Eingemachte. Die Verbrennung der „Hexe“ stand auf der Tagesordnung.

Politisch ist das natürlich nicht korrekt, Hexenprozesse gab es in Überlingen immerhin zuletzt bis Anfang des 17. Jahrhunderts. Verdächtigt wurden dabei fast ausschließlich Frauen, Prostituierte und Arme, aber auch scheinbar unauffällige Bürgerinnen erlitten unschuldig Folter und Tod. Auch wenn die Figur hier eher genderneutral ist, läuft das Ganze am Ende der Fasnet offiziell unter dem Titel „Hexenverbrennung“.

Rundherum standen die Zuschauer und Zuschauerinnen still und schweigend. Wenigstens etwas Pietät angesichts der brennenden Flammen, die die mit Heu gefüllte „Hexe“ in wenigen Minuten zu Staub verbrannten. Ob das in früheren Zeiten auch so still von statten ging, oder ob das Volk geiferte und schrie, wenn die verhasste Person schreiend auf dem Scheiterhaufen in Flammen stand? Die menschliche Zivilisation ist dünn, das wird einem in solchen Situationen wieder bewusst. Auch wenn es hier „NUR“ symbolisch gemeint ist und das Ende der allemannischen Fasnet markiert. Ein makabres Schauspiel bleibt es trotzdem, auch wenn die lodernden Flammen eine schreckliche Faszination ausüben.

Um ganz sicher zu gehen, wurde um 22 Uhr auf den Stufen des Münsters gleich noch eine Hexe verbrannt. Sicher ist sicher und doppelt hält besser. Auf den Stufen einer katholischen Kirche ist es gleich noch etwas anrüchiger, war die Kirche doch ein Haupttreiber der Inquisition und verantwortlich für die Ermordung tausender Menschen unter hanebüchnen Anschuldigen, erpressten Geständnissen unter grausamer Folter und anschließender Verbrennung vor dem schreienden Mob. Isch halt Tradition, mussmer dran festhalte. In diesem Sinne: Ein dreifaches JUCHHUUUUU.

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